Datum/Zeit
Date(s) - 11/05/2023
20:30 - 22:30
Veranstaltungsort
Kölner Stadtgarten
Kategorien
LESUNG
Maria Stepanova
Donnerstag, 11.05.2023, 20:30
Stadtgarten
Venloer Straße 40
50673 Köln
Deutschland
Im Rahmen des »Literarischen Salons«
Maria Stepanova liest aus ihrem Buch Winterpoem
Im Gespräch mit Guy Helminger und Navid Kermani
Eine Veranstaltung des Stadtgarten, Initiative Kölner Jazz Haus e.V
Eintritt:
VVK € 14,- / erm. € 9,-
AK € 16,- / erm- 11,-
Weitere Informationen zur Veranstaltung:
http://www.literarischersalon.com/home
Maria Stepanova
Winterpoem 20/21
Zweisprachige Ausgabe . Aus dem Russischen von Olga Radetzkaja
Der Ausbruch der Covid-Pandemie setzte im März 2020 einem Aufenthalt Maria Stepanovas im britischen Cambridge ein Ende. Zurück in Russland, verbrachte sie die folgenden Monate in einem Zustand der Erstarrung – die Welt hatte sich vor ihr zurückgezogen, die Zeit war »ertaubt«. Als sie aus diesem Zustand auftauchte, begann sie Ovid zu lesen. Motive fanden zueinander, die lange in ihr gewartet hatten. Wie schon in Der Körper kehrt wieder verwandelt sie historische und aktuelle Kataklysmen in ein ungemein feingliedriges, bewegliches Gebilde aus Rhythmen und Stimmen.
Das Poem, das in einer rauschhaften poetischen Inspiration entstand, spricht vom Winter und vom Krieg, von Verbannung und Exil, von sozialer Isolation und existentieller Verlassenheit. Stepanova findet grandiose Bilder für das Verstummen: wenn etwa Worte, die wir einander zurufen, in der Luft gefrieren und unser Gegenüber nicht mehr erreichen. Das Werk verwebt Liebesbriefe und Reiseberichte, chinesische Verse und dänische Märchen in eine vielstimmige Beschwörung der gefrorenen und langsam auftauenden Zeit.
Maria Stepanova
Mädchen ohne Kleider
Aus dem Russischen von Olga Radetzkaja
Mädchen ohne Kleider, Kleider ohne Leute, Ob aus Luft – auch in ihren neuen, so liedhaften wie erzählerischen Gedichtzyklen macht sich Maria Stepanova an die »Reparatur des Lebens«. Auslöser können Zufallsfunde sein: etwa das Foto von einer jungen Namenlosen, nackt auf einer Chaiselongue, dem Auge des Freiers ausgesetzt wie das Wild im Visier des Jägers. Den existentiellen Impuls, Frauen dem pornographischen Blick zu entziehen und sie zu retten, indem sie ihre Schutzlosigkeit in Poesie bannt, spürt man in jeder Zeile. Sie setzt ihre ganze Kunst dafür ein, die Erschütterung in luzide, unpathetische Verse zu bringen.
Immer sind irgendwo Mädchen ohne Kleider.
Immer ist da etwas, das an ihnen frisst.
Immer ist da etwas, das von ihnen bleibt.
Immer ist da etwas für immer vorbei.
Nie mehr wird sie den Holztrottoir betreten,
In der Hand den zitronengelb welken Schirm
Wie ein Sonnenrad, das sich dreht,
Die Straßenfrau bei der Arbeit am Sex der anderen,
Dies ist das einzige Foto von ihr.
Darauf zu sehen: rund wie die Sonne, ihr Hintern.
Maria Stepanova
Der Körper kehrt wieder
Gedichte
Russisch / deutsch. Aus dem Russischen von Olga Radetzkaja
Maria Stepanova war schon vor dem internationalen Erfolg ihres ersten Prosawerks Nach dem Gedächtnis eine berühmte Autorin. Seit zwanzig Jahren hat sie die weltoffene Literaturszene Moskaus mitgeprägt und sich als produktive, experimentierfreudige Lyrikerin einen Namen gemacht, auch im angelsächsischen Raum. Die drei Langgedichte des vorliegenden Bandes, Erinnerungsarbeit in einer sich verdunkelnden Zeit, stehen in der Tradition der russischen und der amerikanischen Poesie der Moderne.
»Die Dichtung, dieses absurde, vieläugige / Wesen mit den vielen Mündern, / Lebt in vielen Körpern zugleich, / Ging durch viele Körper zuvor.« Stepanova lässt die Poesie als handelnde Gestalt auftreten: Wir hören und sehen, wie sie über die Schlachtfelder des 20. Jahrhunderts schreitet, ihr Ohr an die Erde legt, den Boden aufgräbt, in den die Körper der Gefallenen eingegangen sind. Eine zerbrochene Welt wird besichtigt, und jemand ist da, der oder die alle Teile einsammelt, aufliest – sie »liest« und neu zusammensetzt. Ein messianisches Projekt? Maria Stepanova geht es um die politische, die poetische und die erotische Dimension der Körper – und dass sie alle, die toten und die lebendigen, das gleiche Recht beanspruchen: von uns gesehen, von uns wahrgenommen zu werden.
Quelle: Suhrkamp Verlag/Insel Verlag
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