Datum/Zeit
Date(s) - 13/06/2023
17:30 - 19:30
Veranstaltungsort
Akademie der Künste, Clubraum
Kategorien
LESUNG
Maria Stepanova und Polina Barskova
Dienstag, 13.06.2023, 17:30
Akademie der Künste
Clubraum
Hanseatenweg 10
10557 Berlin
Deutschland
Im Rahmen des »24. poesiefestivals berlin«
Maria Stepanova und Polina Barskova lesen aus ihren jüngsten Büchern Winterpoem 20/21, Mädchen ohne Kleider und Mutabor
Im Gespräch mit Eugene Ostashevsky
Die Veranstaltung wir russisch-deutsch gedolmetscht
Eintritt:
€ 7,- / erm. € 5,-
Weitere Informationen zur Veranstaltung:
Maria Stepanova
Winterpoem 20/21
Zweisprachige Ausgabe . Aus dem Russischen von Olga Radetzkaja
Der Ausbruch der Covid-Pandemie setzte im März 2020 einem Aufenthalt Maria Stepanovas im britischen Cambridge ein Ende. Zurück in Russland, verbrachte sie die folgenden Monate in einem Zustand der Erstarrung – die Welt hatte sich vor ihr zurückgezogen, die Zeit war »ertaubt«. Als sie aus diesem Zustand auftauchte, begann sie Ovid zu lesen. Motive fanden zueinander, die lange in ihr gewartet hatten. Wie schon in Der Körper kehrt wieder verwandelt sie historische und aktuelle Kataklysmen in ein ungemein feingliedriges, bewegliches Gebilde aus Rhythmen und Stimmen.
Das Poem, das in einer rauschhaften poetischen Inspiration entstand, spricht vom Winter und vom Krieg, von Verbannung und Exil, von sozialer Isolation und existentieller Verlassenheit. Stepanova findet grandiose Bilder für das Verstummen: wenn etwa Worte, die wir einander zurufen, in der Luft gefrieren und unser Gegenüber nicht mehr erreichen. Das Werk verwebt Liebesbriefe und Reiseberichte, chinesische Verse und dänische Märchen in eine vielstimmige Beschwörung der gefrorenen und langsam auftauenden Zeit.
Maria Stepanova
Mädchen ohne Kleider
Aus dem Russischen von Olga Radetzkaja
Mädchen ohne Kleider, Kleider ohne Leute, Ob aus Luft – auch in ihren neuen, so liedhaften wie erzählerischen Gedichtzyklen macht sich Maria Stepanova an die »Reparatur des Lebens«. Auslöser können Zufallsfunde sein: etwa das Foto von einer jungen Namenlosen, nackt auf einer Chaiselongue, dem Auge des Freiers ausgesetzt wie das Wild im Visier des Jägers. Den existentiellen Impuls, Frauen dem pornographischen Blick zu entziehen und sie zu retten, indem sie ihre Schutzlosigkeit in Poesie bannt, spürt man in jeder Zeile. Sie setzt ihre ganze Kunst dafür ein, die Erschütterung in luzide, unpathetische Verse zu bringen.
Immer sind irgendwo Mädchen ohne Kleider.
Immer ist da etwas, das an ihnen frisst.
Immer ist da etwas, das von ihnen bleibt.
Immer ist da etwas für immer vorbei.
Nie mehr wird sie den Holztrottoir betreten,
In der Hand den zitronengelb welken Schirm
Wie ein Sonnenrad, das sich dreht,
Die Straßenfrau bei der Arbeit am Sex der anderen,
Dies ist das einzige Foto von ihr.
Darauf zu sehen: rund wie die Sonne, ihr Hintern.
Polina Barskova
Lebende Bilder
Aus dem Russischen von Olga Radetzkaja
Sie weigern sich, im Keller Schutz zu suchen, und harren in der dunklen, zugigen Gemäldegalerie aus, Kälte und Hunger trotzend. Mojsej, 25, und Antonina, 37, sind Mitarbeiter der Leningrader Eremitage, einem der schönsten Kunstmuseen der Welt. Im Winter 1941/42 wird es zu ihrem letzten Zufluchtsort. Anfangs rezitieren sie Gedichte, erzählen sich das Märchen von der Schneekönigin, stellen zwei Rembrandt-Gemälde nach, die aus dem Museum evakuiert werden sollen. Als sie versuchen, sich an ein Lied zu erinnern, versagen ihre Stimmen. Das Lauschen in die Stille hinein, das wiederholte Rufen, Sichvergewissern, ob der andere noch da ist, das auf elementare Bruchstücke reduzierte Gespräch zweier Liebender, erweist sich am Ende als eine »Dokumentation aus Stimmen« authentischer Figuren, die in der Leningrader Blockade umgekommen sind.
Lebende Bilder heißt dieser zentrale Text des Bandes, dem zehn längere und kürzere Prosastücke vorangestellt sind. Alle kreisen sie um Sankt Petersburg als imaginären Ort, auch wenn sie in Lowell/Massachusetts, in San Francisco oder an einem Strom in Sibirien spielen und von Kindheit, erster Liebe und schmerzlichen Verlusten handeln.
Polina Barskovas lyrische Sprache ruft uns, gleichsam durch Raum und Zeit hindurch, als Zeugen mit an die Schauplätze und rückt jedes Erleben in die größere Geschichte ein. In dem Versuch, private Erinnerung und kulturelles Gedächtnis ineinander zu verweben, verweigert sie sich traditionellen Erzählformen – nicht programmatisch, sondern aus einer existenziellen Erfahrung heraus.
Quelle: Suhrkamp Verlag/Insel Verlag
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Verschieden Medien bzw. Formate:
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Polina Barskova: Lebende Bilder (Buch (Hardcover), 2020) – buch7
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