Datum/Zeit
Date(s) - 27/08/2021
17:00 - 19:00
Veranstaltungsort
Kreuz+Quer, Haus der Kirche
Kategorien
GESPRÄCH
Oswald Egger
Freitag, 27.08.2021, 17:00
Kreuz+Quer
Bohlenpl. 1
91054 Erlangen
Deutschland
Im Rahmen des »Erlanger Poetenfests« und dem öffentlichen Arbeitstreffen »Siebzehnte Erlanger Übersetzerwerkstatt«
Oswald Egger zum Thema »Das Duale des Dualen (ist das Original)«
Moderation: Adrian La Salvia
Eintritt:
€ 5,- / erm. € 2,50
Oswald Egger
Entweder ich habe die Fahrt am Mississippi nur geträumt, oder ich träume jetzt
Fließt – alles? Wie ein fortschreitend oskulierendes Wogengewölle in Form von Worten und Formen ohne Worte, Strudelungen, Zerstreuungen und Häufungen selbstüberwälzter Vorwärtswellen von Reverien, die über die Ufer der inneren Landschaft vorüberschwimmen. Als ob Beziehungslinien im »Bewusstseinsstrom«, die einander berühren und liieren, sich schneiden, überlagern und wiederhin verlieren – wie die Linien einer Hand. Ganz unscheinbare Verursachungen, die jeweils zu Wirk- und Fließlinien führen, setzten sich fort im grellen, kruden Wechsel der Wortbewegungsbilder selbst, der Gedankenhäufung, der Winke und Unstetigkeiten abrupt wechselnder Aspekte.
In seinem neuen, mit zahlreichen Zeichnungen und Malereien aufwändig gestalteten Buch folgt Oswald Egger der Erinnerung an die selber unerinnerte Erfahrung österreichischer Auswanderer nach Amerika in den Jahren 1880 bis 1919, folgt den geflüsterten und inwendigen Stimmenverbindungen, den Wirbelfäden des Erzählten durch Bergwerke und Wälder bis zum großen Gewässer: Wenn im Fließgefüge von Eindrücken und Empfindungen die Sätze, Wörter und Sachen als eine Menge kleiner Inseln erscheinen, wird der Mississippi zum Mainstream der verschwiegenen Geschichte der Ideen, die zwischen den Welten im Fluss sind.
Oswald Egger
Val di Non
Ist es möglich, einen Berg zu denken, zu dem das Tal fehlt? Wenn man sich Gott und die Welt vorstellen kann, kann man sich z. B. nicht Gott ohne die Welt vorstellen: Was einem vorschwebt, von A bis Z, erscheint oft realer als das, was vor Augen bloß irritiert.
Einmal waren Berge Berge, die Täler waren Täler. Nachdem es mehr Dinge zwischen Grund und Grat gibt, als wir träumen können, sind Berge weder Berge noch Abgründe Abgründe: Was einem blüht, mag zugleich auch blühendes Tal sein. In aller Stille rufen Laute einander auf und zu, kaum wahrnehmbar noch, tief von innen und unten. Nachtwach, in Sprache, schwellen die Intervalle an, stets fügt sich eine zweite Stimme zur ersten, dann noch eine, und dann noch und noch: wie ein Echo das Offene durch Wiederholung der Beschränkung auskostet, aber auf immer weniger Wirklichkeit trifft.
In Oswald Eggers Val di Non wird man fabelhaft wandern oder einfach nur spazieren gehen. Ein Buch, reich bebildert und illustriert mit zig Einstiegen und auch Verstiegenheiten, mit stillen Verstolperungen hinein in eine unfassbare Fundlandschaft aus Wunderbarem: Wie das wohl sein wird – gelebt zu haben, ohne gewesen zu sein.
Oswald Egger
Euer Lenz
Prosa
Die Steine zu erweichen, sie zum Sprechen zu bringen – das ist die wohl ältere Umschreibung für den Hang, durch und durchs Gebirg zu dringen, der Berge Grenzen und Erzgänge zu verschränken (Grund und Grat); und Stollen, Drusen, Grotten (die Schlieren und Dunstlinien darin) zu untertunneln. Oswald Eggers Instrument für dieses Genre der Geländesondierung in areale Areale ist seine Sprache, die Erdsprache, Tirade, anerkannt durch ein selbstsprechendes Erdrecht, und, im Tretrad der Rede, diese kopflos durchmusternd, ihr ununterredendes Gespräch. Sie zählt zu den Hochtiroler Organen und wird insgeheim gesprochen, nicht gelehrt, auch ist sie in keinem Apparat aufgezeichnet; immerhin Wort für Wort in eine »Luftgeistersprache« diskret übersetzt und, unerhört, in ihren Ösen, Knoten und Knollen, beständig durch in Luft erstarrte Löcher zu erspähen und über »Herde der Verkehrung« aufzulesen, aufzuhorchen.
Ein Ossian des Südens, geht Oswald Egger in Euer Lenz durchs Gebirg und an die Schelmgrenzen des Verstandes, unterläuft und überschreitet die stetigen, gedachten Linien einer Genealogie, welche beständig ineinander übergingen wie gedachte Schatten selbanderm Schlag: sie fliehen den, der sie sieht und sie folgen dem, der sie zieht.
Quelle: Suhrkamp Verlag/Insel Verlag
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